Aktuelle Meldungen

11.12.2023

Grauammern im Winter

Grauammer
Grauammer in der Zülpicher Börde (© Darius Stiels)

Die einst überall im Tiefland von Nordrhein-Westfalen verbreiteten und häufigen Grauammern sind wie viele Feldvogelarten heute nur noch ein seltener Anblick. Die vergleichsweise kleinen Restbestände konzentrieren sich vor allem auf die Bördengebiete des Landes. Was die Vögel im Winter machen, war bisher jedoch wenig bekannt. Vor diesem Hintergrund wurde eine Synchronzählung initiiert.

Das Autor:innen-Team fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen: In den ersten beiden Januarwochen 2023 wurde eine Synchronerfassung von Grauammern in den Hauptbrutgebieten in der Hellwegbörde sowie der Zülpicher Börde durchgeführt. In den beiden Untersuchungsgebieten wurden insgesamt 545 Grauammern gezählt. Die Auswertung zusätzlicher Beobachtungsdaten zeigt neben der Hellwegbörde und Zülpicher Börde keine weiteren nennenswerten Wintervorkommen der Grauammer in Nordrhein-Westfalen. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass die Grauammer die Brutgebiete im Winter nicht verlässt. Dies kann unter anderem auf die verbesserte Nahrungsverfügbarkeit im Winter durch Ernteverzichtsstreifen, Blühbrachen und andere Vertragsnaturschutzmaßnahmen zurückgeführt werden.

Mitglieder erhalten den Charadrius kostenlos, das Heft mit diesem und anderen Beiträgen kann aber auch kostenpflichtig über die NWO-Geschäftsstelle bezogen werden.

Publikation:
Schindler M, Fehn M, Janssen J, Joest R, Jungmann K, Nierling N, Schieweling A, Vos J-R, Zehlius J 2023. Wo bleiben die nordrhein-westfälischen Grauammern Emberiza calandra im Winter? Kreisübergreifende Synchronzählung in der Zülpicher Börde sowie der Hellwegbörde im Januar 2023. Charadrius 59: 109–114.

 

 

04.12.2023

Seltene Vogelarten in NRW 2020

Drosseluferläufer
Zweiter Nachweis des Drosseluferläufers für NRW – und dann auch noch im Prachtkleid! (© Hans Glader)

Die Avifaunistische Kommission der NWO berichtet regelmäßig über das Vorkommen seltener Arten in NRW. Nun erschien die Übersicht für das Jahr 2020. Darunter waren wieder einige echte Kracher! Seltenheiten sind aber nicht nur das Salz in der Suppe der Vogelbeobachtung, sondern können u.a. auch Hinweise auf Veränderungen bei Zugwegen geben und sind damit wichtiger Bestandteil des Vogelmonitorings.

Im Jahr 2020 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 290 Vogelarten festgestellt. Nach Anerkennung durch die DAK und AviKom NRW wurden mit Rosenseeschwalbe Sterna dougallii (12.7. im Kreis Kleve) sowie Nonnensteinschmätzer Oenanthe pleschanka (1.6. im Hochsauerlandkreis) gleich zwei Arten erstmals in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen. Daneben wurden die zweiten Nachweise der Zwergscharbe Microcarbo pygmaeus (27.5. im Kreis Coesfeld), des Habichtsadlers Aquila fasciata (25.4. im Kreis Gütersloh), des Drosseluferläufers Actitis macularius (6.-23.6. im Kreis Kleve), des Kleinen Gelbschenkels Tringa flavipes (11.-13.5. in Münster), des Tienschan-Laubsängers Phylloscopus humei (20.12.2020-1.1.2021 im Kreis Borken), des Bartlaubsängers Phylloscopus schwarzi (9.10. im Kreis Recklinghausen), des Dunkellaubsängers Phylloscopus fuscatus (20.11. in Münster) sowie der „Aschkopf-Schafstelze“ Motacilla flava cinereocapilla (30.4. im Kreis Borken) erbracht. Ebenfalls hervorzuheben ist der fünfte Eissturmvogel Fulmarus glacialis (1.2. in Duisburg).

Mitglieder erhalten den Charadrius kostenlos. Der aktuelle AviKom-Bericht sowie Berichte der Vorjahre sind zudem auch im pdf-Format hier frei verfügbar.

Publikation:
Avifaunistische Kommission der NWO (AviKom) 2023. Seltene Vogelarten in Nordhrein-Westfalen im Jahr 2020. Charadrius 59: 95–108.

 

 

27.11.2023

Einflug der Taigabirkenzeisige

Taigabirkenzeisig
Taigabirkenzeisig (© Darius Stiels)

Spätherbst und Winter ist die Zeit der „Invasionsvögel“. Was begrifflich vielleicht befremdlich klingt, ist tatsächlich ein faszinierendes Phänomen des Vogelzugs. Aktuell deutet sich möglicherweise ein spannender Einflug von Taigabirkenzeisigen an.

Birkenzeisige sind kleine Singvögel aus der Familie der Finken. Es sind ganz überwiegend nordische Brutvögel, die in fast ganz Eurasien und Nordamerika verbreitet sind. In Mitteleuropa kamen Birkenzeisige früher vor allem in den Alpen und in einigen Mittelgebirgen sowie auf den Britischen Inseln und im südlichen Skandinavien vor. Ein Muster, das sich höchstwahrscheinlich während der Eiszeiten ausgebildet hatte und das wir bei vielen anderen Tier- und Pflanzenarten (z.B. Schneehase) ebenfalls beobachten können.

Birkenzeisige hatten sich in Deutschland als Brutvögel einige Jahre lang auch im Tiefland deutlich ausgebreitet, mittlerweile sind sie in NRW aber als Brutvögel wieder vielerorts verschwunden bzw. stehen kurz vor dem regionalen Aussterben, ohne dass die Treiber dieser Dynamik wirklich gut verstanden wären.

Taigabirkenzeisig ornitho
Meldungen von Taigabirkenzeisigen in den letzten 10 Tagen (ornitho.de)

Im Winter ernähren sich Birkenzeisige vor allem von Birken- und Erlensamen, fressen aber auch an Lärchen, Weiden und kleinen Samen krautiger Pflanzen. Sie sind kaum größer als Blaumeisen und können damit akrobatisch an dünnen Zweigen selbst kopfüber balancieren. Mit ihren spitzen Schnäbeln kommen sie gut an ihr Futter heran. Oft werden die Samen im Kropf zwischengespeichert, so dass die Vögel recht schnell die Nahrung fressen und zur Verdauung geschütztere Stellen wie Nadelbäume aufsuchen können. Als flauschige Federbälle sind sie zwar vergleichsweise gut gegen Kälte geschützt, aber in strengen nordischen Wintern ist es Teil der Überlebensstrategie, möglichst kurz Sturm und Kälte ausgesetzt zu sein. Birkenzeisige gehören zu den Singvögeln mit der nördlichsten Verbreitung. Sie sind zwar Zugvögel oder zumindest Teilzieher, können aber auch vergleichsweise weit nördlich überwintern.

Taigabirkenzeisige sind bei uns dementsprechend relativ regelmäßige Wintergäste, kommen aber in ganz unterschiedlicher Häufigkeit vor. Dieses Jahr könnten es mehr werden als in vielen anderen Jahren, zumindest deutet sich ein Einflug an. Ob dieser anhält und die Vögel noch häufiger werden, bleibt abzuwarten. Dabei können Birkenzeisige übrigens auch in Gärten und Parks auftauchen und sind dabei nicht unbedingt allzu scheu. Auch Futterstellen werden aufgesucht. Es lohnt sich also, genau hinzuschauen, auf die metallischen Rufe zu achten und die Vögel via www.ornitho.de zu dokumentieren.

Auch das Auftauchen eines extrem seltenen Polarbirkenzeisigs kann natürlich nie ausgeschlossen werden. Die Bestimmung sollte hier allerdings sehr genau abgesichert und nach Möglichkeit mit Fotos dokumentiert werden. Die Art ist bei der AviKomDAK meldepflichtig. Bürzel und Unterschwanzdecken sind hier (nahezu) ganz weiß. Die genaue Herkunft der Taigabirkenzeisige ist übrigens nicht so leicht zu klären. Die nächsten Brutgebiete sind in Skandinavien, aber Ringfunde haben in der Vergangenheit erstaunliche Wanderleistungen der kleinen Vögel belegt: von Belgien bis Nordostchina und von Michigan (USA) bis Sibirien. Die Vögel könnten also bereits eine längere Wanderung hinter sich haben, bevor sie unsere Region erreicht haben.

 

 

27.11.2023

Vogelbestand am Richrather See

Feldsperling
Flussregenpfeifer verschwanden bereits 1994, wohl als Folge von Sukzession und Störungen (© Hans Glader)

Langzeituntersuchungen der Vogelwelt sind von besonderem Interesse. Unsere Monitoringprogramme reichen oft nicht weit zurück und in der Betrachtung von Kurven der Bestandsentwicklung einzelner Arten mag auch nicht sofort deutlich werden, wie sich die Vogelwelt insgesamt verändert hat. Wir alle sind anfällig für das Shifting-Baseline-Syndrom. Im aktuellen Charadrius ist nun eine Studie erschienen, die Daten bis ins Jahr 1988 zurück auswertet.

Winkler et al. fassen ihre Untersuchung so zusammen: „Über einen Zeitraum von 25 Jahren von 1988 bis 2012 wurden die Bestände aller Vogelarten am Richrather See, einem Geschützten Landschaftsbestandteil in Langenfeld, dokumentiert. Insgesamt konnten 158 Vogelarten gezählt werden, von denen 56 Arten im Schutzgebiet brüteten. Aufgrund einer zunehmenden Verbuschung der Landfläche des Schutzgebietes mit heimischen Baum- und Straucharten und einer gleichzeitigen flächendeckenden Bebauung mit Wohn- und Gewerbeimmobilien der ursprünglich das Gebiet umgebenden Grünland- und Ackerflächen sowie ehemaligen Schrebergärten veränderte sich auch der Vogelbestand im Areal. Während baum- und strauchbrütende Vogelarten zunahmen, erlebten Vogelarten, die auf Nahrungs- und Nistmöglichkeiten in halboffenen Landschaften angewiesen sind, einen Bestandsrückgang. Sowohl für dauerhaft im Schutzgebiet lebende Vogelarten als auch für Nahrungsgäste, Durchzügler und Wintergäste stellt der Richrather See als innerstädtisches Schutzgebiet einen wertvollen Lebensraum dar.“ Mitglieder erhalten den Charadrius kostenlos.

Publikation:
Winkler A, Preiss H-G, Löpke E, Bucken S 2023. Entwicklung des Vogelbestandes am Richrather See in Langenfeld von 1988 bis 2012. Charadrius 59: 83–94.

 

 

20.11.2023

Feldsperlinge brüten in Rohrtraversen

Feldsperling
Feldsperling (© Hans Glader)

Feldsperlinge zeigen in Nordhrein-Westfalen einen stark rückläufigen Bestandstrend. Umso interessanter sind Details über die Ökologie dieser Art. Michael Kuhn berichtet im aktuellen Charadrius von Brutplätzen in Rohrtraversen von Mittelspannungs-Freileitungen.

Der Autor fasst die Untersuchung folgendermaßen zusammen: Auf mehr als der Hälfte von Nordrhein-Westfalen, der Nordhälfte von Rheinland-Pfalz und im Süden von Niedersachsen installierte der Stromversorger RWE beim Aufbau der Mittelspannungs-Freileitungen Holzmasten mit Rohrtraversen. Rein zufällig entstand bei diesem Traversentyp an den offenen Rohrenden eine Einflugöffnung in Maßen, welche einzig der Feldsperling nutzen konnte. Mit Hilfe der Traversen erfolgte eine Erweiterung des Bruthabitats der Art in die sonst offene höhlenfreie Ackerbörde. Nach einer Hochrechnung kann ihre Zahl in den genannten Bereichen auf eine Größenordnung von etwa 92.000 Masten geschätzt werden. Auf einer Probefläche im Rheinland wurden 1998 an 72 Masten 67 Brutpaare gezählt, also eine Belegung von 93 %, bezüglich der 144 Öffnungen waren es 47 %. Von den 72 im Jahr 1998 auf Belegung kontrollierten Traversen wurde 2009 eine willkürliche Strecke von 20 Traversen einer Nachkontrolle unterzogen. 1998 gab es in diesen 20 Traversen 14 Erstbruten. 2009 nach nur elf Jahren waren es nur noch drei, ein Einbruch um 79 %. Leider sind die Bestände inzwischen so dramatisch eingebrochen, dass es heute Teilflächen gibt, wie z. B. das Messtischblatt 5206 Erp, auf denen die Art seit Jahren ausgestorben ist. Begründung ist niedriger Bruterfolg durch Nahrungsmangel wegen gravierender Umstellungen der Landwirtschaft. Kleinere Vorkommen ähnlicher Traversen in Remscheid, Bayern, Baden-Württemberg und der Schweiz werden kurz beschrieben.

Mitglieder erhalten den Charadrius kostenlos, das Heft mit diesem und anderen Beiträgen kann aber auch kostenpflichtig über die NWO-Geschäftsstelle bezogen werden.

Publikation:
Kuhn M 2023. Feldsperlinge Passer montanus nutzen im Rheinland Rohrtraversen von Mittelspannungs-Freileitungen zur Brut. Charadrius 59: 75–82.

 

 

18.11.2023

Neuer Charadrius erschienen

Charadrius
Titelbild: Feldsperling (© Roland Rauter)

Das aktuelle zweite Charadrius-Heft des Jahrgangs 2023 (Band 59, Heft 2) ist soeben erschienen. Es enthält vier längere und einen kürzeren Artikel. Außerdem sind die aktuellen NWO-Mitteilungen (Nr. 57) enthalten. Das Heft sollte mittlerweile bei unseren Mitgliedern angekommen sein.

Michael Kuhn befasst sich im ersten Artikel mit Feldsperlingsbruten in Rohrtraversen von Mittelspannungsleitungen. Im zweiten Artikel berichten Winkler et al. über die Entwicklung des Vogelbestandes am Richrather See in Langenfeld von 1988 bis 2012. Die Avifaunistische Kommission der NWO berichtet in einem reich bebilderten Beitrag über die Nachweise seltener Vogelarten in NRW im Jahr 2020. Schindler et al. gehen der Frage nach, wo die nordrhein-westfälischen Grauammern den Winter verbringen und präsentieren Ergebnisse einer Synchronzählung in der rheinischen und der westfälischen Börde. Im letzten Originalartikel dokumentiert Carl Henning Loske einen Austernfischer mit der Farbaberration Ino.

Am Ende des Heftes finden sich Literaturbesprechungen mehrerer vogelkundlicher Bücher.

Der aktuelle Charadrius enthält außerdem die NWO-Mitteilungen 57 mit vielen Rubriken, aktuellen Nachrichten und ausführlichen Berichten. Die aktuellen NWO-Mitteilungen genauso wie ältere Ausgaben sind wie gewohnt auch hier frei als pdf-Datei verfügbar.

Der Charadrius ist für Mitglieder kostenlos, kann aber auch zum Preis von 18,00 € pro Heft bei der Geschäftsstelle bezogen werden.

 

 

 

 

 

 

17.11.2023

Mitmachen bei der Schlafplatzzählung der Möwen

Mittelmeermöwe
Mittelmeermöwe (© Hans Glader)

Die AG Möwen sucht weitere Interessierte für die winterlichen Zählungen von Möwen an ihren Schlafplätzen.

Erfasst werden die Möwen jeweils an einem Wochenende im Dezember und Januar beim Einflug an ihr Schlafgewässer. Möwen sind bei uns weitgehend tagaktiv und suchen an Flüssen, Seen, in Städten und in offenen Lebensräumen wie auf Feldern nach Nahrung. Zwar werden die Vögel tagsüber auch im Rahmen der Wasservogelzählung erfasst, diese kann aber notwendigerweise keine Vögel abseits der Zählgewässer berücksichtigen. Abends fliegen die Vögel eines größeren Bereiches aber zu einem zentralen Gewässer, wo sie leichter erfasst werden können. Aktuell gibt es in verschiedenen Gebieten von Nordrhein-Westfalen noch bekannte Schlafgewässer, die nicht erfasst werden.

Grundsätzlich reichen für den Anfang übrigens Basiskenntnisse, bei denen Lachmöwen, Sturmmöwen und „Großmöwen“ unterschieden werden können. Gerne gibt die AG Möwen weitere Hilfestellungen zur Bestimmung.

Die AG Möwen um Jörg Hadasch und Patrick Kretz freut sich über Ihre und Eure Unterstützung: ag_moewen@nw-ornithologen.de

 

 

16.11.2023

Heute Massenzugtag der Kraniche

Kranich
Auch über die Geschäftsstelle der NWO zogen heute Kraniche (© Darius Stiels)

Heute zogen zahlreiche Kraniche über Nordrhein-Westfalen. Das laut rufende Trompeten erfüllte in einem Streifen vom Münsterland und Ostwestfalen bis ins südliche Rheinland vielerorts den Himmel.

Seit jeher ist Nordrhein-Westfalen Durchzugsgebiet für Kraniche. Die großen Vögel brüten zwar auch seit einigen wenigen Jahren wieder in einigen Paaren in NRW, sie leben dann aber meist scheu und zurückgezogen in einigen wenigen geschützten Feuchtgebieten. Viel leichter sind sie im Frühjahr und Herbst auf dem Weg in ihre nordöstlichen Brutgebiete bzw. in ihre Winterquartiere in Frankreich und Spanien zu beobachten.

Mit der erfreulichen Zunahme des Bestandes und der Schaffung einiger geeigneter Rastgewässer in Niedersachsen haben sich die Zugwege und Uhrzeiten der Hauptdurchzugszeit übrigens leicht verändert, das grundsätzliche Muster ist aber ähnlich geblieben. Die heute beobachteten Vögel sind vermutlich größtenteils morgens früh von ihrem Rastplatz in der Diepholzer Moorniederung gestartet. Zudem haben sich auch die Strecken ins Winterquartier insgesamt verkürzt - wohl als Folge veränderten Nahrungsangebotes in Kombination mit dem Klimawandel harren manche Vögel heutzutage auch lange in Frankreich und Deutschland aus.

Kranich ornitho
Bis zur Mittagszeit erreichten Kraniche die südliche Landesgrenze von NRW (ornitho.de)

Heute war es wieder soweit. Die Nacht war kalt und am Vormittag gab es kaum Wind. Die Zugbedingungen waren vermutlich ideal. Innerhalb relativ kurzer Zeit, mancherorts nur für eine halbe Stunde, andernorts eher über zwei Stunden, zogen Kraniche in langen Ketten und in V-Formation über NRW. Über Städten und an Hängen vor den Mittelgebirgen bildet sich Thermik, die die Vögel nutzen, um größere Höhen zu erreichen. Auch wenn aktuell noch keine Auswertungen vorliegen, war es heute ganz locker eine fünfstellige Anzahl an Vögeln. Ziel der Vögel ist heute höchstwahrscheinlich der Lac du Der-Chatecoq (Marne-Stausee) im Süden der Champagne in Frankreich. Ob alle Vögel heute bis in ihr traditionelles Zwischenrastgebiet fliegen, muss aber abgewartet werden. Eine Regenfront aus dem Südwesten mag einige Vögel zu Umkehrzug gezwungen haben; auch eine unerwartete Rast auf einem Acker oder einem kleinen Feuchtgebiet ist heute bei uns denkbar.

Übrigens, in manchen Regionen von NRW werden Kraniche umgangssprachlich auch Wildgänse oder sogar Schneegänse genannt. Mit diesen sind Kraniche aber nicht näher verwandt. Zwar ziehen zu dieser Jahreszeit auch echte Gänse über Nordrhein-Westfalen und überwintern auch in großen Schwärmen z.B. am Niederrhein, aber es handelt sich natürlich um gänzlich andere Arten. Gänse haben kurze Füße und haben daher im Flug wie auch Kormorane und Möwen ein kurzes Hinterende. Auch die Rufe sind natürlich verschieden.

Beobachtungen sollte wie gewohnt via ornitho.de oder Naturalist-App gemeldet werden, damit sie für großräumige Analysen zur Verfügung stehen. Bitte geben Sie Uhrzeit und Zugrichtung der einzelnen Trupps in den dafür vorgesehenen Feldern an.

 

 

31.10.2023

Eckhard Möller mit Bundesverdienstkreuz geehrt

Eckhard Möller
Eckhard Möller mit links Landrat Jürgen Müller, Tochter Pauline Kleymann, rechts Frau Birgit Kleymann und Bürgermeister Tim Kähler
(© Angelika Meister)

Im prunkvollen großen Sitzungssaal im Rathaus Herford wurde am Montag, den 30.10.2023, unser langjähriger „Seltenheiten-Papst“ auf eine ganz besondere Art geehrt: Der Landrat des Kreises Herford und der Bürgermeister der Stadt Herford haben Eckhard Möller im Namen des Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz überreicht.

Im Kreise von Eckhards Familie und zahlreichen Freunden hat der Verwaltungschef des Kreises Herford die wirklich erstaunlich umfangreichen Verdienste des zu Ehrenden mit vielen Details und herzlichen Worten dargestellt. Wir als NWO-Menschen hatten nicht im Blick, was Eckhard neben dem fabelhaften Engagement bei uns noch alles gemacht hat. So hat er hat vor 40 Jahren das Biologiezentrum Bustedt in Hiddenhausen mitbegründet, er war 20 Jahre Kreisheimatpfleger, machte 40 Jahre lang Hunderte Exkursionen für die VHS Herford, war aktiv im Naturwissenschaftlichen Verein von Bielefeld, gründete den Herforder Verein für Geschichte mit und, und, und …

Als Eckhard den schönen Orden an der Brust hatte, sprach der NWO-Vorsitzende noch ein paar Worte zum festlichen Anlass. Wir als NWO können stolz sein, einen Menschen wie Eckhard Möller in unseren Reihen zu wissen, als einen enorm fachkundigen und sehr beliebten Fachornithologen, der überall bekannt ist wie ein bunter Hund – keineswegs nicht nur in Herford sondern in der ganzen Birder-Community von Deutschland und darüber hinaus.

Herzlichen Glückwunsch, lieber Eckhard!

Klaus Nottmeyer

 

 

22.10.2023

Überraschende Ringfunde bei der Flussseeschwalbe

Junge Flussseeschwalbe
Junge beringte Flussseeschwalbe am Auesee (© Stefan R. Sudmann)

Aus wissenschaftlichen Gründen werden Vögel seit langer Zeit beringt. Wiederfunde geben einen Einblick in das Leben der Vögel, zeigen Zugwege auf oder beleuchten den Austausch von Individuen zwischen unterschiedlichen Vorkommen, wie die folgenden Fälle belegen.

Seit Beginn der Flussseeschwalbenberingung am Niederrhein vor mehr als 30 Jahren gab es keinen Fernfund aus östlicher Richtung. Dies hat sich dieses Jahr geändert: Ein Altvogel, der in der Kolonie Mittelweser nördlich von Petershagen tot gefunden wurde, stammte vom Niederrhein. Der Vogel mit der Ringnummer 7933391 wurde am 06.07.2016 in der Kolonie Auesee bei Wesel beringt und der Wiederfund erfolgte nach 2.521 Tagen in einer Entfernung von 184 km. Dies ist der erste belegte Austausch zwischen dem Niederrhein und der Weserpopulation in NRW.

Eine noch erstaunlichere Meldung betrifft eine am 10.07.2001 in der ehemaligen Kolonie Reeser Meer beringte Flussseeschwalbe (7783161). Diese wurde am 18.06.2023 auf einem Brutfloß auf dem Großen Goitzschesee bei Bitterfeld – also noch weiter östlich – mittels einer Webcam abgelesen. Der Wiederfund erfolgte nach 8.013 Tagen in einer Entfernung von 408 km. 22 Jahre sind zwar noch kein Altersrekord (über 30 Jahre sind belegt), aber schon ein stolzes Alter!

Diese Nebenergebnisse aus dem langjährigen Monitoring von Barbara C. Meyer und Stefan R. Sudmann zeigen, dass die am Niederrhein erbrüteten Flussseeschwalben sich doch weiter entfernt ansiedeln können, als man bislang dachte.

 

 

22.10.2023

Wahner Heide – Unterstützung gesucht

Schwarzkehlchen
Schwarzkehlchen sind Charaktervögel der Wahner Heide (© Hans Glader)

Die Wahner Heide vor den Toren von Köln und Bonn ist eines der artenreichsten Gebiete in NRW. Die Vogelwelt ist für regionale Verhältnisse einzigartig. Unsere Regionalgruppe – die Kartiergemeinschaft Wahner Heide – erfasst dort regelmäßig die Brutbestände ausgewählter Vogelarten. Die KGW braucht nun praktische Unterstützung.

Die Wahner Heide ist rund 3.000 ha groß und das Kartiergebiet umfasst 29 Minutenfelder. Dafür brauchen die sieben Kartierer:innen der KGW nun Unterstützung, um die Tätigkeit auf mehr Schultern zu verteilen. Daten reichen schon rund 30 Jahre zurück und natürlich soll diese Reihe nicht abreißen. Belohnt werden Kartierende durch seltene Arten, bis zu sieben Spechtarten, Offenlandbereiche mit Orchideenwiesen und Heidelerchen, Feldschwirlen und zahlreichen Neuntötern und Schwarzkehlchen.

Wer Zeit und Lust hat mitzumachen, ist herzlich eingeladen, sich bei der KGW zu melden. Voraussetzung ist lediglich etwas Kartiererfahrung bzw. Artenkenntnis. Esther Koch gibt gerne weitere Auskunft, Hintergrundinfos und Details und freut sich natürlich über alle Interessensbekundungen: KG Wahner Heide

Vielen Dank für Euer/Ihr Engagement.

 

 

21.10.2023

Vogel des Jahres – Kiebitze in NRW

Kiebitz
Vogel des Jahres 2024: Kiebitz (© Hans Glader)

Die meisten haben es längst erfahren: In einer öffentlichen Abstimmung unter fünf Kandidaten wurde der Kiebitz als Vogel des Jahres ausgewählt. Für uns selbstverständlich ein guter Grund, sich etwas näher mit dieser Art zu beschäftigen und die Situation des Kiebitzes in NRW näher zu beleuchten.

Kiebitze gehören verwandtschaftlich zu den Limikolen und dort in die Regenpfeiferverwandtschaft. Der Schnabel ist daher vergleichsweise kurz und damit gut geeignet, Nahrung oberflächennah zu finden – Insekten, Regenwürmer und andere Wirbellose lassen sich so gut aufpicken oder nahe der Oberfläche erstochern. Kiebitze sind bekannt für ihre phantastischen Balzflüge, deren Eindruck sie mit lauten Rufen („kie-witt“) noch verstärken. Sie brüten in NRW vor allem im Tiefland in weiten offenen Landschaften. Die Jungen sind Nestflüchter und können kurz nach dem Schlupf bereits laufen, werden aber von den Eltern noch betreut. Kiebitze sind Teilzieher. Die meisten unserer Brutvögel fliegen nach West- und Südwesteuropa, andere überwintern auch bei uns. Jetzt im Oktober ist eine gute Zeit, um rastende Kiebitze auf dem Durchzug zu beobachten. Die nächste Brutzeit beginnt dann recht früh im Jahr und bereits im Vorfrühling kann man wieder mit balzenden Kiebitzen rechnen.

Ursprünglich waren Kiebitze eine Vogelart artenreicher, magerer feuchter Wiesen, Weiden und (Nieder-)Moore. Mit der Ausbreitung der Ackerflächen hat der Vogel mit der Federtolle aber auch diesen Lebensraum als Brutplatz entdeckt. Hier ist er jedoch größeren Gefahren ausgesetzt. Flächen, die im Vorfrühling noch unbearbeitet sind (z.B. spätere Sommerungen wie Maisäcker), werden just zur Brutzeit bearbeitet. Zum Glück gibt es viele aufmerksame Bauern und Bäuerinnen, die Nester umfahren oder vorsichtig kurzfristig umsetzen. Mit modernen schnellen Maschinen ist das jedoch eine große Herausforderung. In vielen Regionen werden Kiebitznester deshalb von Mitarbeitenden Biologischer Stationen oder Ehrenamtlichen (z.B. aus der NWO) in Absprache mit der Landwirtschaft markiert, so dass die Brutplätze umfahren werden können. Dafür gibt es übrigens auch einen finanziellen Ausgleich vom Land und auch weitere Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes können sich positiv auswirken. Trotz einiger Positivbeispiele hat dies aber noch nicht ausgereicht, langfristige Bestandsrückgänge zu stoppen. Oft fehlt es an Nahrung und Schutz für die Küken. Feuchte Ackersenken sind durch Drainagen selten geworden, die Klimakrise spielt zunehmend mit hinein und nicht überall gibt es noch geeignetes Grünland in Reichweite für die Jungen. Dieses ist vielerorts ungeeignet geworden. Stark gedüngte Grasäcker (durch Gülle und Stickstoffdeposition aus der Luft) bieten keine Nahrung und im zu dichten Grasdschungel können Jungvögel sich nicht bewegen und werden leicht nass und kühlen aus. Auch Prädation spielt eine zunehmende Rolle, zumal kleiner werdende Kolonien oder Einzelpaare es weniger gut schaffen, sich gegen Prädatoren zur Wehr zu setzen.

Kiebitz Jungvogel
Der Bruterfolg ist der entscheidende Faktor für das Überleben des Kiebitzes als Brutvogel in NRW (© Hans Glader)

Einzelne Projekte wie das kürzlich gestartete LIFE-Wiesenvögel-Projekt in NRW geben zwar Hoffnung, dass sich die Situation in einzelnen Schutzgebieten verbessern könnte, sind aber noch kein Grund zur Entwarnung und erreichen natürlich auch nicht die Vögel in der Normallandschaft. Der Kiebitzbestand ist dementsprechend weiterhin im Rückgang begriffen und die Art wird in der aktuellen Roten Liste für NRW daher als stark gefährdet geführt. Der genaue Brutbestand ist nicht bekannt, lag aber schon bei der letzten Roten Liste (2016) bei unter 10.000 Brutpaaren (Rote Listen), mittlerweile sind es bereits deutlich weniger. Ein standardisiertes Monitoring für diese Art fehlt leider bisher. Hinzu kommt, dass nun auch große Verbreitungsgebietslücken auffällig werden. So sind die Mittelgebirge heute nahezu vollständig geräumt. Sehr viel Wissen über die Art in NRW wurde übrigens 2020 in einem Schwerpunktheft des Charadrius (Jahrgang 56, Heft 1-2) veröffentlicht.

Manchmal werden für den Bestandsrückgang auch Faktoren außerhalb des Brutgebietes genannt, so werden Kiebitze mancherorts noch bejagt. Während dies selbstverständlich negative Auswirkungen hat, zeigen Studien deutlich, dass die entscheidenden Ursachen für den Bestandsrückgang in den Brutgebieten liegen. Auch die Rastbestände sind vielerorts zusammengebrochen. Waren es früher allein am Unteren Niederrhein um die 120.000 Vögel, sind es heute nur noch wenige 1.000 – ein Rückgang um mehr als 95 %.

Die Aussichten für den Kiebitz sind also nicht allzu positiv und die bisherigen Anstrengungen reichen noch nicht aus, um den Kiebitz vor dem Schicksal der meisten anderen Wiesen- und Moorvögel zu schützen. Es besteht die Gefahr, dass der Kiebitz anderen Arten dieses Lebensraums folgt, die in NRW mittlerweile ausgestorben oder extrem selten sind und bei denen verbliebene Restbestände auf wenige Reservate begrenzt sind. Die erneute Wahl zum Vogel des Jahres 2024 wird hoffentlich dazu beitragen, den Schutz des Kiebitzes und der vielen anderen Feld-, Wiesen-, Moor- und Weidevögel weiter im Fokus zu behalten und endlich eine echte Trendumkehr einzuläuten.