Was ist eine ökologische Falle?

Nistkästen können auch ökologische Fallen sein (© www.lietzow-naturfotografie.de)

Ökologische Fallen sind ein wichtiges Konzept in Ökologie und Naturschutzbiologie. Sie werden oft herangezogen, leider aber häufig falsch verstanden und sind trotz zunehmender Hinweise nur in wenigen Fällen tatsächlich nachgewiesen. Aber der Reihe nach.

Die Individuen einer Population bilden eine Fortpflanzungsgemeinschaft. Darin besiedeln Teilpopulationen womöglich unterschiedliche Lebensräume. Individuen in einem bestimmten Lebensraum können sich so gut fortpflanzen, dass es zu einem Populationswachstum kommt (Quellpopulation), in einem anderen Lebensraum ist der Bruterfolg vielleicht so gering, dass dieser Teil der Population schrumpfen würde (Populationssenke), wenn es keinen Austausch zwischen den Teilpopulationen geben würde. Selbst lokales Aussterben und Neugründungen können manchmal beobachtet werden. Diese Schilderung beschreibt vereinfacht das Konzept der Metapopulation. Oft wird dieses im Zusammenhang mit ökologischen Fallen angewendet, allerdings spielt bei ökologischen Fallen das Verhalten des Individuums eine entscheidende Rolle.

Vereinfacht kann man also erstmal von zwei unterschiedlichen Lebensräumen ausgehen: einem qualitativ hochwertigen (wo das Populationswachstum positiv ist) und einem qualitativ minderwertigen Lebensraum (wo das Populationswachstum negativ ist). Als Beispiel nehmen wir einen Zugvogel, der aus seinem Winterquartier zurückkommt. Wenn er sich in qualitativ hochwertigem Lebensraum ansiedelt (egal warum), wird er Teil der Quellpopulation. Wenn er sich in qualitativ niedrigem Lebensraum ansiedelt, obwohl er diesen eigentlich meiden würde, aber z.B. hochwertige Lebensräume bereits durch andere Individuen besiedelt sind oder einfach nicht mehr verfügbar sind (z.B. durch Lebensraumzerstörung), wird er Teil der Populationssenke. Das bedeutet aber noch nicht, dass wir es mit einer ökologischen Falle zu tun haben. Erst wenn der Vogel den hochwertigeren Lebensraum aktiv meidet und den schlechteren bevorzugt, ist er in einer ökologischen Falle gefangen. Dies kann am Ende sogar zum Aussterben der gesamten Population führen.

Das entscheidende an der ökologischen Falle ist also die Bevorzugung des schlechteren Lebensraums, obwohl ein besserer Lebensraum zur Verfügung steht. In der Fachliteratur wurde das Thema provokant formuliert: „Wenn gute Tiere schlechte Lebensräume lieben...“ (Battin 2004, Comservation Biology). In diesem Artikel wird auch ein klassisches Beispiel für eine ökologische Falle zusammengefasst: Rundschwanzsperber Accipiter cooperii in Tucson, Arizona (USA) erreichen in der Stadt eine viel höhere Dichte als im Umland, brüten früher und legen mehr Eier. Allerdings ist die Nestlingssterblichkeit in der Stadt viel höher als im Umland. Der Tod wird durch Trichomonaden verursacht, Überträger sind Tauben, die die Hauptbeute des Rundschwanzsperbers darstellen. Trotz zahlreicher Positivbeispiele können auch Nistkästen ökologische Fallen sein – wie beispielsweise an Kohlmeisen gezeigt (Mänd et al. 2005, Biodiversity and Conservation). Für Feldvögel könnte der Klimawandel zur Bildung einer ökologischen Falle führen – die Vögel haben ihr Brutgeschäft zeitlich stärker nach vorne gelegt als die Landwirtschaft die Bodenbearbeitung (Santangeli et al 2018, Biological Conservation). Das finnische Beispiel erinnert stark an die Situation in NRW, wo im zeitigen Frühjahr Kiebitze auf noch brachliegenden Flächen ihre Eier legen, bei der späteren Bodenbearbeitung für Sommerungen jedoch untergepflügt werden (wenn nicht engagierte Landwirt*innen und Vogelschützer*innen Vorsorge betreiben). Tatsächlich ist oft nicht abschließend geklärt, ob Vögel tatsächlich in einer ökologischen Falle gefangen sind. Als Beispiel könnte unser Logovogel dienen – möglicherweise stellen Nisthilfen, die zu nah an Straßen aufgehängt wurden, ökologische Fallen dar, aber die Daten erlauben bisher keine sichere Antwort darauf (Gottschalk et al. 2011, J. of Raptor Research).

Der Begriff ökologische Falle sollte also vorsichtig genutzt werden, die Suche nach möglichen ökologischen Fallen ist allerdings äußerst wichtig und kann einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt leisten.

 

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