Warum singen Vögel?
Spätestens wenn im Vorfrühling der morgendliche Vogelgesang einsetzt und Amseln vor dem Fenster singen drängt sich diese Frage auf. Uns bereitet Vogelgesang Freude, er ist jedoch für die Tiere mit erheblichem Energieaufwand verbunden. Und wer singt kann zudem möglicherweise leichter durch Prädatoren entdeckt werden. Also, warum das Ganze?
Die Frage lässt sich erstaunlicherweise auf unterschiedliche Art beantworten. Nikolaas Tinbergen, einer der Begründer der modernen Verhaltensbiologie, hat dazu 1963 vier Fragen formuliert (nach dem Überlebenswert, dem Mechanismus, der Entwicklung und der Stammesgeschichte). Die vielleicht naheliegendste Antwort (1) ist natürlich, dass die Vögel singen, um einen Partner anzulocken („Paar Dich mit mir!“) oder ein Revier zu verteidigen („Verschwinde! Das ist mein Revier!“). Man kann die Frage aber auch in Bezug auf den Mechanismus (2) hin beantworten. Im Frühjahr werden die Tage länger und dies beeinflusst den Hormonhaushalt der Vögel. Und natürlich fließt bei Singvögeln die Luft an der Syrinx vorbei und ermöglichst es, vielen Vogelarten sogar in Stereo zu singen. Das Gesangsverhalten hat sich aber auch über die Zeit herausgebildet – einmal während der individuellen Entwicklung (3) – (Singvögel lernen den Gesang in der Regel von ihren Eltern) und einmal stammensgeschichtlich (4) – bereits die Vorfahren der heutigen Amseln konnten singen und im Laufe der Evolution haben sich unterschiedliche Gesänge entwickelt. Tinbergens vier Fragen lassen sich übrigens auch auf viele weitere verhaltensökologische und evolutionsbiologische Fragestellungen übertragen.
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