27.11.2023

Einflug der Taigabirkenzeisige

Taigabirkenzeisig
Taigabirkenzeisig (© Darius Stiels)

Spätherbst und Winter ist die Zeit der „Invasionsvögel“. Was begrifflich vielleicht befremdlich klingt, ist tatsächlich ein faszinierendes Phänomen des Vogelzugs. Aktuell deutet sich möglicherweise ein spannender Einflug von Taigabirkenzeisigen an.

Birkenzeisige sind kleine Singvögel aus der Familie der Finken. Es sind ganz überwiegend nordische Brutvögel, die in fast ganz Eurasien und Nordamerika verbreitet sind. In Mitteleuropa kamen Birkenzeisige früher vor allem in den Alpen und in einigen Mittelgebirgen sowie auf den Britischen Inseln und im südlichen Skandinavien vor. Ein Muster, das sich höchstwahrscheinlich während der Eiszeiten ausgebildet hatte und das wir bei vielen anderen Tier- und Pflanzenarten (z.B. Schneehase) ebenfalls beobachten können.

Birkenzeisige hatten sich in Deutschland als Brutvögel einige Jahre lang auch im Tiefland deutlich ausgebreitet, mittlerweile sind sie in NRW aber als Brutvögel wieder vielerorts verschwunden bzw. stehen kurz vor dem regionalen Aussterben, ohne dass die Treiber dieser Dynamik wirklich gut verstanden wären.

Taigabirkenzeisig ornitho
Meldungen von Taigabirkenzeisigen in den letzten 10 Tagen (ornitho.de)

Im Winter ernähren sich Birkenzeisige vor allem von Birken- und Erlensamen, fressen aber auch an Lärchen, Weiden und kleinen Samen krautiger Pflanzen. Sie sind kaum größer als Blaumeisen und können damit akrobatisch an dünnen Zweigen selbst kopfüber balancieren. Mit ihren spitzen Schnäbeln kommen sie gut an ihr Futter heran. Oft werden die Samen im Kropf zwischengespeichert, so dass die Vögel recht schnell die Nahrung fressen und zur Verdauung geschütztere Stellen wie Nadelbäume aufsuchen können. Als flauschige Federbälle sind sie zwar vergleichsweise gut gegen Kälte geschützt, aber in strengen nordischen Wintern ist es Teil der Überlebensstrategie, möglichst kurz Sturm und Kälte ausgesetzt zu sein. Birkenzeisige gehören zu den Singvögeln mit der nördlichsten Verbreitung. Sie sind zwar Zugvögel oder zumindest Teilzieher, können aber auch vergleichsweise weit nördlich überwintern.

Taigabirkenzeisige sind bei uns dementsprechend relativ regelmäßige Wintergäste, kommen aber in ganz unterschiedlicher Häufigkeit vor. Dieses Jahr könnten es mehr werden als in vielen anderen Jahren, zumindest deutet sich ein Einflug an. Ob dieser anhält und die Vögel noch häufiger werden, bleibt abzuwarten. Dabei können Birkenzeisige übrigens auch in Gärten und Parks auftauchen und sind dabei nicht unbedingt allzu scheu. Auch Futterstellen werden aufgesucht. Es lohnt sich also, genau hinzuschauen, auf die metallischen Rufe zu achten und die Vögel via www.ornitho.de zu dokumentieren.

Auch das Auftauchen eines extrem seltenen Polarbirkenzeisigs kann natürlich nie ausgeschlossen werden. Die Bestimmung sollte hier allerdings sehr genau abgesichert und nach Möglichkeit mit Fotos dokumentiert werden. Die Art ist bei der AviKomDAK meldepflichtig. Bürzel und Unterschwanzdecken sind hier (nahezu) ganz weiß. Die genaue Herkunft der Taigabirkenzeisige ist übrigens nicht so leicht zu klären. Die nächsten Brutgebiete sind in Skandinavien, aber Ringfunde haben in der Vergangenheit erstaunliche Wanderleistungen der kleinen Vögel belegt: von Belgien bis Nordostchina und von Michigan (USA) bis Sibirien. Die Vögel könnten also bereits eine längere Wanderung hinter sich haben, bevor sie unsere Region erreicht haben.