Vogelgehirn – Händigkeit bei Vögeln?
Nicht nur bei Menschen gibt es Links- und Rechtshändigkeit, auch bei vielen Tieren gibt es das entsprechende Pendant zum Rechtshänder oder Linkshänder. Vögel haben natürlich keine Hände wie wir, aber dennoch gibt es bei Vögeln entsprechend einseitig ausgeprägte Verhaltensweisen.
Besonderheiten wie der neuseeländische Schiefschnabel mit seinem fast immer nach rechts gebogenem Schnabel fallen natürlich sofort auf, aber darum soll es hier nicht gehen. Der Vogelkörper ist äußerlich symmetrisch. Dennoch kann es aber beispielsweise Gliedmaßen geben, die bevorzugt genutzt werden. Bei Vögeln sind das in der Regel die Füße, schließlich sollten die Flügel einigermaßen die gleiche Kraft ausüben, um kräftesparend in eine Richtung zu fliegen. Oft wird dies mit einem Lateralismus im Hirn in Verbindung gebracht. Lateralismus des Hirns bedeutet, dass die beiden Hirnhälften obwohl äußerlich ähnlich unterschiedliche Aufgaben und Funktionen übernehmen. Das muss nicht unbedingt eindeutig mit Links-/Rechts-Händigkeit zusammenhängen, aber bei Vögeln gibt es dazu immerhin einige gute Hinweise. Entsprechende Verhaltensweisen lassen sich tatsächlich auch im Freiland beobachten und mittlerweile gibt es mehrere Beispiele aus ganz unterschiedlichen Vogelgruppen, die sich tatsächlich sehr gut mit der Händigkeit bei uns (oder anderen Säugetieren) vergleichen lässt.
Erstmal gibt es tatsächlich gut untersuchte Hinweise auf bevorzugt genutzte Körperseiten bei Vögeln: So scheinen Stelzenläufer, zumindest auf dem Populationslevel, eine Bevorzugung für die rechte Seite zu haben. Beute wird monokular mit dem rechten Auge fixiert und auch bei der Balz wird mit dem rechten Auge genauer hingeschaut (Ventolini et al 2005, Anim. Behav.). Auch Flamingos, untersucht wurden Rosaflamingos und Chileflamingos, scheinen überwiegend „Rechtsfüßer“ zu sein. Bei der Nahrungssuche in flachem Wasser „trampeln“ sie ihre Beute heraus, mit dem rechten Fuß (Vidal et al. 2018, Anim. Behav.; Regaiolli et al. 2020, Laterality). Es spricht viel dafür, dass hier die linke Hirnhälfte für die Bewegungs- bzw. Beuteerkennung zuständig ist und sich daraus die Bevorzugung der Nutzung der rechten Körperhälfte ergibt. Spannend sind auch Wassertreter. Odinshühnchen, Thorshühnchen und Wilsonswassertreter drehen sich bei der Nahrungssuche schwimmend im Kreis, da ein Fuß stärker getreten wird als der andere. Eine Untersuchung, bei der hunderte Online-Videos ausgewertet wurden, kommt zu dem Schluss, dass die Drehrichtung individuell unterschiedlich ist und sich in Nahrungsgruppen wahrscheinlich Vögel mit einer bevorzugten Richtung zusammentun und nicht einfach nur die Richtung der anderen kopiert wird, allerdings fehlt es noch an experimenteller Stützung dieser Hypothese (Gutiérrez & Redondo 2020, Behav. Ecol.). Die Videos stammten übrigens oft von Amateurfilmenden bzw. Hobby-Vogelbeobachtenden, was die wissenschaftliche Bedeutung solcher Datenquellen wieder einmal untermauert. Papageien nutzen ihre Füße oft als Greifwerkzeuge, sie ähneln damit in ihrer Funktion durchaus einer menschlichen Hand. Spannenderweise gibt es hier Vögel, die einen Fuß vor dem anderen bevorzugen, um Objekte bzw. Nahrung zu halten bzw. zu bearbeiten. Eine Studie kam auch zu dem Schluss, dass dies bei australischen Papageien hochgradig mit dem bevorzugten Auge korrelierte, mit dem das Objekt in Augenschein genommen wurde, was ebenfalls für eine Lateralisierung spricht (Brown & Magat 2011, Biol. Let.). Interessanterweise gibt es aber Unterschiede zwischen den untersuchten Arten bzw. Populationen, denn in einigen bevorzugen alle Individuen eine Seite, während in anderen Populationen Individuen vorkommen, die sowohl links als auch rechts bevorzugen.
Es kann sich also lohnen genauer hinzuschauen und diesen erstaunlich ein- bzw. zweiseitigen Verhaltensweisen bei der Vogelbeobachtung mehr Beachtung zu schenken.
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