Vogelbestimmung: Drosseln im Herbst und Winter

Im Herbst richtet sich der Blick der Öffentlichkeit, wenn es um den Vogelzug geht, vor allem auf Großvögel wie Kraniche und Gänse. Wir gucken aber noch etwas genauer hin und belassen es nicht dabei. Schließlich lassen sich im Herbst auch viele andere Zugvögel beobachten – darunter gleich mehrere Drosselarten, die nicht selten selbst im Siedlungsbereich gut zu beobachten sind und oft auch noch über den Winter schöne Beobachtungsmöglichkeiten bieten.

 

Rotdrossel
Rotdrossel (© Hans Glader)

Der Drosseldurchzug findet vielfach nachts oder in den frühen Morgenstunden statt. An guten Zugtagen ziehen aber viele Arten auch tagsüber und auch in NRW lassen sich von geeigneten Stellen aus oft Hunderte Drosseln an einem guten Morgen beobachten. Das betrifft insbesondere Wacholderdrosseln und Rotdrosseln, aber auch Singdrosseln können größere Trupps bilden, während Amseln tagsüber eher in geringer Truppstärke festgestellt werden. Auch rastend können im Spätherbst und teilweise auch im Winter Drosseltrupps beobachtet werden. Drosseln bewegen sie sich am Boden hüpfend statt laufend vorwärts und lassen sich so gut von Staren unterscheiden. Die meisten Drosselarten bei uns sind Teilzieher, Rotdrosseln und Ringdrosseln sind bei uns in NRW von wenigen Ausnahmen abgesehen vor allem auf dem Durchzug zu sehen, mancherorts überwintern aber auch Rotdrosseln. Drosseln lassen sich in einer Vielzahl von Lebensräumen beobachten, Futter finden sie auf Obstwiesen, auf denen auch in der kalten Jahreszeit noch Äpfel zu finden sind, aber auch in Wäldern oder strukturreichen Offenländern. Vor allem Amseln suchen auch Futterstellen auf. Nächtliche Zugrufe lassen sich allerdings auch ganz regelmäßig über den hell erleuchteten Innenstädten hören, so dass es kaum einen Ort gibt, an dem aufmerksamen Beobachter:innen keine Drosselbeobachtungen gelingen können.

Unter den echten Drosseln der Gattung Turdus kommen sechs Arten regelmäßig bei uns vor – die Artenvielfalt ist also so überschaubar, so dass nichts dagegen spricht, auch als Anfänger:in die einzelnen Arten kennenzulernen.

 

Amsel
Amsel-Männchen im 1. Winterkleid
(© Angelika Meister)

Am bekanntesten sind ohne Frage Amseln, die wir wohl kaum vorstellen müssen. Der alte Name Schwarzdrossel beschreibt jedenfalls die Verwandtschaftszugehörigkeit korrekt. Auch Amseln sind Teilzieher und im Herbst bekommen wir in Mitteleuropa Zuzug aus dem Norden und Osten während manches Individuum, das wir aus der Brutzeit aus dem nächsten Wald kennen, auf dem Weg in den Südwesten sein könnte. Unterscheiden lassen sich die nördlichen Amseln kaum von den heimischen Vögeln, auch wenn nördliche Vögel im Mittel oft etwas längere Flügel haben – eine Anpassung an das ausgeprägtere Zugverhalten. Im Feld fällt das nicht auf. Die hohen nächtlichen srieh-Rufe sind oft das einzige, das wir vom Amselzug mitbekommen, doch auch tagsüber können ziehende Vögel beobachtet werden. Vor allem in der ersten Oktoberhälfte und in der Monatsmitte lohnt es sich bei schwarzen Drosseln genauer hinzugucken. Jetzt rasten manchmal auch Ringdrosseln an Feldgehölzen oder Waldrändern. Ihre lauten tock-tock-Rufe wirken oft härter und tiefer als bei Amseln. Ringdrosseln sind außerdem etwas größer, die Flügel sind aufgehellt und der helle Brustring sollte letzte Unsicherheiten bei der Bestimmung beseitigen, aber Vorsicht, es gibt auch Amseln mit Farbaberrationen. Ringdrosseln sind bei uns die mit Abstand seltenste regelmäßig vorkommende Drosselart.

Singdrosseln sind sehr häufige, oft übersehene Brutvögel in Mitteleruopa. Charakteristisch auf dem Zug sind die hohen zipp-Rufe, während das gefleckte Gefieder der Unterseite Ähnlichkeiten mit Rot- und Misteldrossel aufweist. Die Rufe hört man auch in der Dunkelheit. Mitteleuropäische Brutvögel überwintern als Kurzstreckenzieher vor allem im Mittelmeerraum. In den wintermilden Regionen von NRW sind aber selbst Januarbeobachtungen nicht ungewöhnlich und im Februar können bereits die ersten Sänger gehört werden.

 

Misteldrossel
Misteldrossel neben Mistel (© Darius Stiels)

Misteldrosseln sind die größte heimische Drosselart. Die Fleckung der Unterseite erinnert an Singdrosseln, in der Luft sind sie aufgrund ihrer Größe nicht leicht von Wacholderdrosseln zu unterscheiden. Schnarrende Rufe sind jedoch charakteristisch. Auf dem Zug fallen Misteldrosseln vor allem in kleineren Trupps oder als Einzelvögel auf. Sie sind aber auch manchmal mit Wacholder-, Mistel- und Singdrosseln vergesellschaftet. Der Name ist kein Zufall – Mistelbeeren werden häufig gefressen und wer im Winter nach Seidenschwänzen sucht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zuerst Misteldrosseln finden.

Rotdrosseln sind nordische Brutvögel und bei uns klassische Durchzügler im Herbst und Frühjahr, die aber auch teilweise überwintern. Bei der Rast fallen sie nicht selten unter Wacholderdrosseltrupps auf. Sie sind ähnlich gefärbt wie Singdrosseln, unterseits ebenfalls kräftig gefleckt, die Achselfedern sind aber viel rötlicher und vor allem die Kopfzeichnung ist kennzeichnend. Im Flug sind sie durch spitzere Flügel starenähnlicher als Singdrosseln. Wichtigstes Merkmal ist aber der sehr hohe, scharfe (und in guten Sonagrammen erkennbar modulierte) zieeh-Ruf.

 

Wacholderdrossel
Wacholderdrossel (© Darius Stiels)

Wacholderdrosseln haben im 20. Jahrhundert ihre Brutverbreitung in NRW ausgebreitet, mittlerweile ist die Art aber insbesondere im Nordwesten unseres Landes als Brutvogel nahezu wieder verschwunden. Auf dem Zug und als Wintergast können Wacholderdrosseln allerdings in allen halboffenen Lebensräumen des Landes beobachtet werden. Nicht selten bilden sie große Trupps. Sie sind bei näherer Betrachtung erstaunlich bunt gefärbt und auch ein ganzes Stück größer als Sing- und Rotdrosseln und sogar größer als Amseln. In früheren Zeiten wurden Wacholderdrosseln, die tatsächlich auch manchmal Wacholderbeeren fressen, oft bejagt. Auch heute ist illegale Vogeljagd, vor allem im Mittelmeerraum, ein Gefährdungsfaktor für Drosseln.

Einige wenige weitere Drosselarten aus Sibirien bzw. Nordamerika (Wanderdrossel) sind ebenfalls sehr seltene Ausnahmeerscheinungen in NRW nachgewiesen worden. Wer selbst Drosseln beobachtet, kann seine Beobachtungen wie gewohnt auf www.ornitho.de melden. Der europaweite Durchzug, z.B. der Rotdrossel, lässt sich aussagekräftig auf dem Eurobirdportal nachvollziehen.
Wir wünschen schöne Drossel-Beobachtungen!