Welches Spektiv brauche ich zur Vogelbeobachtung?

Fernglas
Spektiv & Stativ (© Darius Stiels)

Wer intensiver Vögel beobachtet, wir über kurz oder lang ein Spektiv haben möchten. Nur im Wald wird man in der Regel auf das Spektiv verzichten. Spektive sind Teleskope zur Tagesbeobachtung (astronomische Reflektorteleskope sind zur Vogelbeobachtung ungeeignet). Fast alle sind monokular (man schaut mit einem Auge durch). Immer dann, wenn Vögel auf größere Entfernung beobachtet werden, sind Spektive wichtig. Auch für einige unserer Programme sind Spektive daher manchmal unverzichtbar – das gilt z.B. für die winterliche Gänseerfassung. Es ist auch nicht ungewöhnlich, Vögel erst beim Absuchen der Landschaft oder einer großen Wasserfläche durch das Spektiv zu entdecken. Auch wer überfliegende Großvögel beobachtet, wird oft genug zum Spektiv greifen und dabei hinter den kreisenden Mäusebussarden in enormer Höhe noch ab und zu einen weiteren Greifvogel entdecken.

Bei Spektiven kann man zwischen einem Schräg- oder einem Geradeinblick unterscheiden. Der Geradeinblick mag eine gesündere Körperhaltung fördern, aber der Blick nach oben ist oft mühsam oder nur durch Verstellen des Stativs möglich. Außerdem lassen sich Schrägeinblicke leicht drehen, so dass auch kleinere Personen durchschauen können. Bei Spektiven ist ein Okularbereich und ein Zoombereich unterscheidbar, wobei sich bei einigen neueren Produkten diese technische Einteilung nicht mehr so leicht vollziehen lässt.

Grundsätzlich lassen sich Spektive aber weiterhin anhand des Objektivdurchmessers (der Öffnung der vorderen Linse) unterscheiden. Wie bei Ferngläsern gilt, umso größer, desto höher die Lichtstärke, allerdings wird dies immer mit einem höheren Gewicht erkauft. Es gibt sehr leichte, kompakte Minispektive, die sich für Reisen (oder als Ergänzung zum Fotoapparat anbieten), aber die meisten typischen kleineren Spektive zur Vogelbeobachtung haben eher um die 60-65 mm Objektivdurchmesser. Standardspektive haben oft 80-90 mm, wobei in den letzten Jahren einige Anbieter auffällig große Objektivdurchmesser anbieten (≥95 mm). Mit größerem Objektivdurchmesser sind größere maximale Vergrößerungen möglich. Solche Vergrößerungen braucht man manchmal, um kleinste Details zu erkennen, z.B. beim Ablesen von Ringen. Die meisten Bestimmungen oder das Absuchen einer Landschaft erfolgen aber oft bei geringeren Vergrößerungen (oft 20-30fach), denn hier ist das Gesichtsfeld bei einem Zoom-Objektiv deutlich größer. Das Gesichtsfeld spielt bei Spektiven eine nicht unwesentliche Rolle, denn ein Objekt durchs Spektiv zu finden, erfordert zumindest Übung. Spektive erreichen oft eine 15-70fache Vergrößerung, wobei die mit kleinerem Objektivdurchmesser meist im unteren Bereich (15-50/60), die größeren im oberen Bereich (30-70) bleiben. Die höchsten Werte sind jedoch nur bei lichtstarken qualitativ hochwertigen Spektiven richtig gut nutzbar. Oft machen sich hier auch Qualitätsunterschiede bemerkbar. Zoom-Okulare sind aufgrund ihrer flexiblen Nutzung mittlerweile Standard, auch wenn physikalisch feste Brennweiten optisch eine bessere Qualität liefern können und bei vielen Spektiven ein Wechsel der Okulare (oder der Objektive) möglich ist.

Natürlich kommt es am Ende wieder auf ähnliche Aspekte wie bei Ferngläsern an: Am wichtigsten ist die Bildqualität (Bildhelligkeit, Schärfe, Randschärfe, Bildfarbe, Farbränder). Wie ist die Handhabung - ist die Fokussierung schnell und intuitiv (Anzahl Umdrehungen eines einzelnen oder eines zweiten Fokussierrings)? Wie ist die Qualität der Verarbeitung? Welche Materialien kommen zum Einsatz (z.B. Magnesiumlegierungen)? Komme ich mit der Augenmuschel zurecht? Auch Zubehör kann eine Rolle spielen – Taschen gibt es z.B auch von Drittanbietern. Gibt es Schutzlinsen und möchte ich das Spektiv auch zur Digiskopie verwenden (Fotografieren durch das Spektiv mit Handykamera oder echtem Fotoapparat)?

Bei der Entscheidung sollte man sich zuerst überlegen, welche Größenklasse am sinnvollsten für einen ist. Auch wenn größere Spektive oft optisch überlegen sind – ein leichtes Spektiv, das man mitnimmt, ist immer besser als ein schweres Spektiv, das aufgrund des Gewichts daheimbleibt. Neben den subjektiven Aspekten (wie beim Fernglas am besten im Fachhandel ausprobieren) bleibt dann natürlich noch der Preis. Einsteigermodelle gibt es für wenige 100 €, aber die Mittelklasse beginnt oft jenseits der 1.000 € und die Spitzenmodelle liegen aktuell (Anfang 2022) oft irgendwo um 4.000 €, wobei es bei größeren Objektivdurchmessern oder Binokularen auch noch teurer werden kann.

Wer so viel Geld in Optik investiert, sollte nicht am Stativ sparen. Dieses muss die richtige Größe haben (lieber etwas größer nehmen bzw. mit ausziehbarer Mittelsäule, damit das Stativ auch mal vor einem an einem abschüssigen Hang stehen kann). Es muss einerseits leicht, andererseits stabil sein und auch bei Wind ruhig stehen. Moderne Stative sind oft aus Karbon, lassen sich auch mit Handschuhen bedienen und haben ggf. noch eine Polsterung an einem oder zwei Elementen. Ein Haken an der Mittelsäule kann mit angehängtem Rucksack die Stabilität enorm erhöhen. Aluminium ist preiswerter, aber schwerer als Karbon. Holz ist ebenfalls schwer und unterwegs oft sehr unpraktisch – dafür ist es aber windstabiler. Auch der Stativkopf ist wichtig. Zwei-Wege-Neiger (Videoköpfe) haben sich bewährt. Der Stativkopf muss das Gewicht des Spektivs tragen (ggf. austarierbar), sollte leicht und schnell bedienbar sein, sich ohne Verstellen des aktuellen Sichtfeldes feststellen lassen und dabei schnelle Bewegungen ermöglichen.

Wir wünschen ganz viel Durchblick und viel Spaß bei der Vogelbeobachtung!

 

Mehr dazu

Welches Fernglas brauche ich zur Vogelbeobachtung?