Welches Fernglas brauche ich zur Vogelbeobachtung?

Fernglas
10x42-Fernglas (© Darius Stiels)

Wer in die Vogelbeobachtung einsteigt, benötigt am Anfang für sein neues Hobby gar nicht viel. Vögel gibt es eigentlich überall und zu allen Jahreszeiten, an Futterstellen lassen sich die Vögel aus geringer Entfernung beobachten und ein hoher Anteil der Vogelbestimmungen laufen eh akustisch. Dennoch werden alle, die Vogelbeobachtung auch nur einen Hauch intensiver betreiben wollen, an einem Ausrüstungsgegenstand nicht vorbeikommen: dem Fernglas. Ohne Fernglas rauszugehen, ist – frei nach Loriot – möglich, aber sinnlos ;-) Die folgenden Tipps sind natürlich die subjektiven Tipps der Redaktion.

In den letzten Jahrzehnten hat es große technische Fortschritte in der Optik gegeben und wer mal durch ein modernes Fernglas geschaut hat, wird vermutlich nicht mehr ohne aus dem Haus gehen. Die meisten heutigen Ferngläser haben eine Innenfokussierung. Porroprismengläser gibt es heute kaum noch. Wasserdichtigkeit (in der Regel kombiniert mit einer Stickstofffüllung) ist eigentlich ein absolutes Muss. Staub und Regen würden dem Glas sonst in der Praxis schnell zusetzen und Feuchtigkeit im Inneren würde sehr schnell letztlich das Ende des Gerätes bedeuten. Anders als häufig vermutet, bedeutet eine größere Vergrößerung nicht unbedingt mehr erkennbare Details. Mehr als eine 8-10fache Vergrößerung kann von den meisten Menschen nicht ruhig gehalten werden, zumal bei zunehmender Vergrößerung die Lichtstärke abnimmt. Die zweite wichtige Kenngröße ist der Durchmesser des Objektivs – typischerweise liegt der Durchmesser bei 32 bis 42 mm, nur Dämmerungsgläser haben einen größeren Durchmesser, sind aber für die meisten Beobachter*innen viel zu schwer. Daraus resultieren klassische Angaben wie das ganz weit verbreitete „10x42“ (für viele Ornis der Standard) oder das „8x32“ (eine leichte und kleinere Alternative). Nur wer richtig schwer behangen ist (Spektiv, Fotoapparat, Mehrtagestour) oder Gelegenheitsbirder ist, wird mit den kompakten, zusammenklappbaren 8x25ern Gläsern zufrieden sein. Die Produkte der Nobelmarken sind aber dennoch noch erstaunlich gut. Auch für Kinder sind solche Gläser überlegenswert. Die eigentliche Lichtstärke wird bei gleichen theoretischen Werten eh ganz wesentlich von der Qualität bestimmt – wie hell ist das Bild? Wie ist die Schärfe (schauen Sie auf ein weit entferntes strukturreiches Objekt, z.B. die Rinde eines entfernten Baumes)? Reicht die Schärfe bis ganz an den Rand oder ist sie auf einen kleinen Bereich begrenzt, wie es bei vielen preiswerteren Ferngläsern der Fall ist? Gibt es störende Farbränder?

Es gibt aber auch weitere wichtige Aspekte: Liegt das Glas gut in der Hand? Legen Sie die Ellbogen beim Beobachten auf die Brust – so lässt sich ein Glas ruhig halten. Funktioniert das mit dem ausgesuchten Glas ohne Probleme? Ist der Augenabstand für mich einstellbar (selbst Spitzengläser passen nicht an jeden Kopf!)? Sind die Okularmuscheln für mich bequem und aus hochwertigem Material? Kann ich als Brillenträger diese eindrehen/umklappen und sehe ich mit Brille ohne Verlust des ebenfalls beachtenswerten Sichtfeldes? Ist der Gurt bequem (oder will ich eh einen separat erhältlichen Kreuzgurt nutzen)? Beim Fokussierrad sollte man darauf achten, wie viele Umdrehungen notwendig sind, um von ganz nah auf ganz weit zu stellen. Eine Naheinstellgrenze von unter zwei Metern ist wichtig, wenn auch Blumen oder Insekten Objekt der Begierde sind. Ferngläser mit (elektrischer) Bildstabilisierung oder anderem technischem „Schnickschnack“ haben sich bisher unter Vogelbeobachter*innen nicht durchgesetzt. Das mag sich in der Zukunft ändern, wird dann aber den Charakter der Vogelbeobachtung verändern.

Nicht zuletzt dürfte aber für die meisten auch der Preis eine Rolle spielen. Keine Sorge, einsteigen kann man zu einem vernünftigen Preis und wird trotzdem ein großes Sehvergnügen haben. Erste Einsteigergläser fangen bei 100-200 € an – Ferngläser vom Discounter, die es oft für unter 100 € gibt, sind erfahrungsgemäß keine ernste Option. Für ungefähr 400-800 € gibt es dann richtig gute Gläser (dieser Text ist von Anfang 2022 – die Preise steigen schon seit einigen Jahren stark an und müssen ggf. nach oben korrigiert werden). Der Sprung zu den preiswerten Gläsern kann enorm sein. Danach sind Qualitätssprünge oft gar nicht mehr so groß. Die Spitzenprodukte liegen zwar jenseits der 2.000 €, dennoch (oder gerade deswegen) möchten die meisten Nutzer*innen dieser teuren Gläser diese nicht mehr missen.

An guten Ferngläsern dürften die meisten viele Jahre und Jahrzehnte großes Vergnügen haben. Gebrauchte Optik lohnt sich daher nur, wenn man großes Glück mit einem Schnäppchen hat. Der Werteverfall ist im Vergleich zu anderen Gegenständen eher gering. Der letzte Tipp zum Fernglaskauf ist einfach: Kaufen Sie das Glas nicht, ohne vorher hindurchgeguckt zu haben – gehen Sie in den Fachhandel, lassen Sie sich beraten und bei Problemen nutzen Sie den Kundenservice, den gute Optikfirmen und der Fachhandel immer anbieten sollten.

Wir wünschen ganz viel Durchblick und viel Spaß bei der Vogelbeobachtung!

 

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