Warum wippen Vögel mit dem Schwanz?
Wer einmal vor sich auf dem Weg einer Bachstelze zugeschaut hat, hat es schon einmal gesehen: ein Vogel wippt pausenlos den Schwanz auf und ab. Was könnte der Grund für diese auffällige Verhaltensweise sein?
Auch andere Vogelarten, z.B. Teichhühner, zeigen ein ähnliches Verhalten. Andere Arten fächern ihren Schwanz oder bewegen ihn seitwärts. Beim Auffliegen oder auch in anderen Situationen zeigen manche Vögel, z.B. die meisten Ammern, weiße Schwanzaußenkanten, die bei anderen Verhaltensweisen verdeckt sind. Für uns Vogelbeobachter:innen kann dieses Verhalten schon erste gute Hinweise auf die Art- oder Gattungszugehörigkeit geben: Blassspötter bewegen ihren Schwanz abwärts, der ähnliche Isabellspötter zeigt dieses Verhalten nicht. Aber was ist der evolutive Hintergrund dieser repetitiven Verhaltensweisen? Ist das Schwanzwippen gar ein Signal an Artgenossen oder andere Arten?
Einen guten Überblick über die Bedeutung von Schwanzbewegungen bei Vögeln gibt ein englischsprachiger Übersichtsartikel (Randler 2016, Ornithol. Sci.), aus dem viele der folgenden Aussagen stammen.
Ein vielleicht leicht verständliches Beispiel ist auf den ersten Blick der nordamerikanische Kapuzenwaldsänger. Dieser scheucht durch charakteristische Schwanzbewegungen Insektennahrung im dichten Blattwerk seines bewaldeten Lebensraums auf. Weiße Bereiche auf den äußeren Steuerfedern helfen dabei. Im Experiment wurde einigen Vögeln die Schwänze geschwärzt und sie waren prompt weniger erfolgreich bei der Nahrungssuche als eine Vergleichsgruppe. Bachstelzen wippen allerdings auch während der Gefiederpflege mit dem Schwanz, was nicht so leicht damit in Einklang zu bringen ist, dass die Bewegungen alleinig der Nahrungssuche dient. Auffällige Schwanzbewegungen können auch ganz andere Funktionen haben. Sie können einem möglichen Prädator signalisieren, dass er entdeckt wurde oder besondere Wachsamkeit anzeigen. In jedem Fall wäre die Botschaft, dass es sich hier nicht um eine leicht zu fangende Beute handelt. Vermenschlicht heißt das: „Erspare mir und Dir die Mühe. Mich bekommst Du eh nicht.“ Auffällige Farben und Muster können selbstverständlich die eigene Qualität als Partner bewerben, den sozialen Status anzeigen oder aber auch eine Rolle beim Gruppenzusammenhalt in einem Schwarm spielen.
Für die verschiedenen Hypothesen gibt es durchaus unterschiedliche Belege bzw. Hinweise. Es scheint klar zu sein, dass bei unterschiedlichen Arten verschiedene Funktionen im Mittelpunkt stehen und diese von weiteren Faktoren wie allgemeinem Verhalten, Lebensraum, Nahrungssuche und Sozialverhalten abhängig sind. Mehr als eine Funktion kann bei einer Art zum Tragen kommen und die Hypothesen müssen sich nicht gegenseitig ausschließen. Da sich aus ihnen unterschiedliche Vorhersagen ableiten lassen, beinhaltet das Thema also viele Fragestellungen für die Verhaltensbiologie. Was als alltägliche Beobachtung beginnt, kann zu spannender ornithologischer Forschung führen.
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