11.09.2022

Wahl zum Vogel des Jahres 2023 – Kandidatencheck aus NRW-Sicht

Es ist wieder soweit - die Wahl zum Vogel des Jahres steht bevor. Welche Vogelart soll 2023 stellvertretende Botschafterin eines wichtigen Naturschutzthemas werden? NABU und LBV lassen seit zwei Jahren die Bevölkerung abstimmen: Jede*r kann sich noch bis zum 27. Oktober 2022 an einer der erfolgreichsten PR-Aktionen für den Vogelschutz beteiligen (www.vogeldesjahres.de). Wir stellen Ihnen die fünf Kandidaten aus NRW-Sicht vor – als neutraler „Wahlomat“ selbstverständlich in systematischer Reihenfolge.

 

Teichhuhn Gallinula chloropus

Teichhuhn
Teichhuhn (© Hans Glader)

Das Teichhuhn ist trotz des Huhns im Namen eigentlich eine Ralle. Anders als ihre oft heimlich lebenden Verwandten sind Teichhühner meist leicht zu beobachten. Bis vor wenigen Jahren waren Teichhühner in NRW an fast jedem kleineren Gewässer anzutreffen – in manchen Stadtparks waren sie häufiger als Stockenten. Mittlerweile hat die Art jedoch massive Bestandsabnahmen erfahren. Lokal waren sicherlich Maßnahmen wie die Mahd bis an die Uferrrandstreifen verantwortlich, aber auch andere Ursachen sind gut denkbar – z.B. eine mögliche Konkurrenz mit den territorialen Blässhühnern, deren Bestandsentwicklung parallel deutlich positiver verlief. Teichhühner stehen für mehr Wasser in der Landschaft – in Zeiten der Klimakrise ein wichtiges Anliegen. Aufgrund ihrer bevorzugten Bruthabitate geht es dabei auch um Kleingewässer in der Agrarlandschaft, die als Trittsteine wichtig sind, um Tier- und Pflanzenpopulationen zu vernetzen. Im Siedlungsbereich könnten Teichhühner für eine Wiederbelebung der Dorfteiche und eine naturnahe Gestaltung von städtischen Parks und Grünanlagen werben. Das Teichhuhn wird aktuell auf der Vorwarnliste zur Roten Liste geführt.

 

 

Neuntöter Lanius collurio

Neuntöter
Neuntöter (© Hans Glader)

Neuntöter haben einen vielleicht etwas martialisch klingenden, dafür aber definitiv einprägsamen Namen. Innerhalb der Singvögel gehören sie dabei auch noch zur Familie der Würger. Sie sind dafür bekannt, ihre Beute, meist größere Insekten wie Käfer oder Heuschrecken, auf Stacheln und Dornen aufzuspießen – eine effiziente Art der Vorratshaltung. Ältere Semester erinnern sich daran, dass der NABU mal Werbung mit dem Slogan „Würger sind nette Vögel“ machte: Einst im ganzen Land verbreitet und häufig, finden sich Neuntöter in NRW heute vor allem im Mittelgebirgsraum, mancherorts, vor allem in Westfalen und einigen wenigen (Schutz-)Gebieten des Rheinlandes, auch im Tiefland. Die Bestände schwanken und es gibt kurzfristig auch lokale Unterschiede, aber der Langzeittrend ist großräumig negativ. Neuntöter stehen für eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft mit Hecken, Sträuchern und meist eher trockenem Magergrünland. Als Zugvögel werden Neuntöter in großer Zahl im Mittelmeerraum bejagt und die Zahl der Vögel dadurch zusätzlich reduziert. Der Neuntöter wird aktuell auf der Vorwarnliste zur Roten Liste geführt.

 

 

Trauerschnäpper Ficedula hypoleuca

Trauerschnäpper
Trauerschnäpper (© Hans Glader)

Der Trauerschnäpper ist die einzige typische Waldart unter den Kandidaten. Er braucht alte Wälder mit einem reichen Angebot an Höhlen als Nistplatz und Insekten als Nahrung. Als Langstreckenzieher kommen die Vögel erst im April aus ihrem afrikanischen Winterquartier zurück. Typischerweise erscheinen die Männchen vor den Weibchen. In NRW ist die Art weit verbreitet und fehlt fast nur im Bereich der agrarisch und städtisch geprägten Gebiete. Häufig sind Trauerschnäpper aber nur in ganz wenigen Gebieten. Die kontrastreich gefärbten Singvögel können für eine Waldwende hin zu einer naturnaheren Bewirtschaftung unserer Forste stehen. Auch für mehr Wildnis können Trauerschnäpper Werbung machen. Vereinzelt brüten die Vögel übrigens auch in Gärten, wo sie gerne Nistkästen annehmen. Untersuchungen zeigen, dass Trauerschnäpper zumindest in einigen Gebieten Verlierer der Klimakrise sind. Ihre Brutzeiten und die Verfügbarkeit der Nahrung passen immer weniger zusammen. In NRW gilt die Art zwar als ungefährdet, aber der Kurzzeittrend des Trauerschnäppers ist negativ.

 

 

Braunkehlchen Saxicola rubetra

Braunkehlchen
Braunkehlchen (© Hans Glader)

Einst waren Braunkehlchen überall im Land Charaktervögel des Grünlandes. Kein größerer Wiesen- oder Weidenkomplex, kein Moorrandbereich ohne Braunkehlchen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute leben die letzten Braunkehlchen von NRW fast ausschließlich in den Mittelgebirgsregionen Westfalens. Im Tiefland sind Braunkehlchen bei uns de facto ausgestorben. Verursacht wurde diese Entwicklung durch den Landnutzungswandel und moderne Formen der intensiven Landwirtschaft. Heutzutage lässt sich das verbliebene Grünland viel häufiger mähen – die Vögel haben ohne spezielle Artenschutzmaßnahmen keine Chance, eine erfolgreiche Brut durchzubringen. In NRW sind die letzten Vorkommen auf Schutzgebiete begrenzt. Viel mehr gezielter Vogelschutz ist notwendig, damit die Art in nennenswerter Bestandsgröße überleben kann und zukünftig vielleicht auch aufgegebene Gebiete wiederbesiedelt. Die notwendigen Maßnahmen sind eigentlich vergleichsweise gut bekannt, die Aussichten sind jedoch nicht allzu rosig. Braunkehlchen stehen in NRW aufgrund negativer Langzeit- und Kurzzeittrends kombiniert mit der Seltenheit der Art als „vom Aussterben bedroht“ auf der Roten Liste.

 

 

Feldsperling Passer montanus

Feldsperling
Feldsperling (© Hans Glader)

Otto le Roi bedachte Anfang des 20. Jahrhunderts in seiner sonst so ausführlichen Avifauna der Rheinprovinz den Feldsperling nur mit wenigen Zeilen. Zu Häufigkeit und Verbreitung findet sich vor allem ein Wort: „allenthalben“. Zusammen mit Haussperling und Feldlerche gehörte der Feldsperling zu den drei häufigsten Vögeln der Region. In Westfalen dürfte es damals auch nicht viel anders ausgesehen haben. Heute gilt die Art als „gefährdet“, ist aber immerhin noch fast landesweit verbreitet. Die Einschätzung des NABU im letzten Jahr, dass wohl jede*r schon mal einen Feldsperling gesehen hat, halten wir auf NRW bezogen aber für sehr gewagt. An nur wenigen anderen Arten zeigt sich wohl gerade das „Vogelsterben“ in NRW so deutlich. Dies betrifft auch den Siedlungsraum, wie eine vor einiger Zeit veröffentlichte Studie aus Bonn gezeigt hat. Feldsperlinge sind Höhlenbrüter, die in Baumhöhlen (z.B. in alten Obstbäumen) und Nistkästen brüten. In NRW finden sich viele Brutplätze auch in Mittelspannungsmasten. Mit der Erneuerung der Masten gingen viele Brutplätze verloren, ohne dass Ersatz geschaffen worden wäre. Feldsperlinge stehen aber insgesamt stellvertretend für eine lebenswerte Kulturlandschaft.

 

 

Weiterführende Links

Rote Liste der Brutvögel in NRW
Rote Liste der wandernden Vogelarten in NRW
Teichhuhn im Brutvogelatlas
Neuntöter im Brutvogelatlas
Trauerschnäpper im Brutvogelatlas
Braunkehlchen im Brutvogelatlas
Feldsperling im Brutvogelatlas