14.10.2021

Rote Liste der Brutvögel Europas – große Sorgen um jede fünfte Vogelart

Bekassine
Die einst häufige Bekassine gilt nun auch europaweit als gefährdet (© Hans Glader)

Rote Listen sind ein wichtiges Instrument des Natur- und Artenschutzes. Die NWO gibt beispielsweise gemeinsam mit dem LANUV die Rote Liste der Brutvögel in NRW heraus. Rote Listen sind aber auch von internationaler Bedeutung. Global werden Rote Listen von der IUCN herausgegeben, die auch die wesentlichen Kriterien erstellt hat. Auch auf europäischer Ebene gibt es seit 1994 eine Rote Liste der Brutvögel. Gerade erschien nun die vierte aktuelle Ausgabe. Sie wurde von Birdlife International zusammengestellt und kann, was die Datengrundlage angeht, sicherlich als Mammutwerk bezeichnet werden.

Daten aus 54 Staaten wurden für die Erstellung der Roten Liste herangezogen – das untersuchte Gebiet reicht von Grönland und Spitzbergen bis zu den Kanarischen Inseln, Malta, Zypern, der Türkei und den Kaukasusstaaten. 544 Vogelarten wurden auf ihre Gefährdung hin analysiert: 13 % (71 Arten) sind gefährdet und weitere 6 % (35 Arten) stehen auf der Vorwarnliste („near threatened“). Weitere Arten zeigen negative Bestandsentwicklungen. Die Rote Liste bezieht sich vor allem auf den Zeitraum von 1980 bis 2018. Längst ausgerottete Arten wie Kanarenausternfischer und Riesenalk werden nicht betrachtet. Waldrapp und Laufhühnchen sind jedoch ebenfalls europaweit ausgestorben. Und ob der Dünnschnabel-Brachvogel überhaupt noch existiert, ist unklar. Steppenkiebitz, Weidenammer, der in Europa endemische Balearensturmtaucher und andere sind europaweit vom Aussterben bedroht.

Betrachtet man die Lebensräume, sind vor allem Arten der Agrarlandschaft, aber auch Arten der Meere und Küsten besonders gefährdet. Seevögel, Hühnervögel, Greifvögel und Limikolen sind die bedrohtesten Vogelgruppen. Von den 121 Trans-Saharaziehern (Langstreckenzieher) zeigt ein Drittel negative Bestandstrends.

Viele Beispiele geben auch aus NRW-Sicht Anlass zur Sorge: Wachtel und Kampfläufer sind nun auf der Vorwarnliste, der Merlin war 2015 noch ungefährdet, wurde in der aktuellen Auflage aber direkt als gefährdet eingestuft. Feldvögel wie die meisten Würger, Lerchen und Ammern nehmen im Bestand ab. Der Bestand der Saatkrähe hat europaweit um 30 % abgenommen - Grund ist wahrscheinlich die direkte Verfolgung. Positive Entwicklungen gibt es bei einigen wenigen Limikolen, allerdings vor allem durch regional begrenzte Bestandsanstiege, beim Großen Brachvogel durch einen Bestandsanstieg in Finnland, bei der Uferschnepfe durch einen Bestandsanstieg auf Island. Andernorts sieht es aber auch bei diesen Arten schlecht aus. Zu den Sorgenkindern gehören die auch in NRW akut bedrohten Watvögel Bekassine und Rotschenkel. Sie wurden nun auch europaweit als gefährdet eingestuft.

Eisvogel
Der Eisvogel wurde aus der Roten Liste entlassen, der Bestandstrend bleibt aber negativ (© Eckhard Lietzow)

Die identifizierten Ursachen spiegeln die Ergebnisse anderer Studien wider: Veränderungen in offenen Lebensräumen durch Landnutzungswandel, intensive Landwirtschaft und Flächenverbrauch sind wichtige Bedrohungsfaktoren. Greifvögel, deren Bestände sich durch ein Verbot der Verfolgung erholt hatten, sind durch den Rückgang ihrer Beutetiere gefährdet. Im Meer spielen Überfischung, Mortalität durch ungewollten Beifang, invasive Arten und Umweltverschmutzung eine große Rolle. Immer noch sind Jagd und Wilderei eine Bedrohung für die europäische Vogelwelt und der Klimawandel hat entweder schon jetzt zu Veränderungen der Verbreitungsgebiete geführt, oder dies wird für die nahe Zukunft prognostiziert.

Zwar gibt es europaweit eine Vielzahl von Positivbeispielen für erfolgreichen Vogelschutz, aber der Rückgang einst häufiger Arten zeigt auch, dass die Probleme großskalig und systemisch sind. Das Autorenteam der Roten Liste fordert vor diesem Hintergrund eine Biodiversitätsstrategie bis 2030 für den ganzen Kontinent (nicht nur als Teil des Green Deals für die EU). Dabei darf es auf keinen Fall zu reinen „Papiertigern“ kommen. Stattdessen müssen Maßnahmen auch umgesetzt werden. Insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei muss es dringend zu Reformen kommen. Der Klimawandel muss bekämpft werden und der Schutz mariner Arten und der von Zugvögeln erfordert wie letztlich aber wohl alle genannten Aspekte eine enge internationale Zusammenarbeit.

 

Weiterführende Informationen

Mitteilung von Birdlife International
European Red List of birds (Originalquelle)