01.08.2018

Weißstörche im Aufwind: von 3 auf 320 Paare in 30 Jahren

Weißstorch
Weißstörche sind Indikatoren für nasses Grünland (© Hans Glader)

Weißstörche sind eine Flaggschiffart des Naturschutzes. Sie sind in Mitteleuropa ökologische Indikatoren für Niederungsgebiete mit Feuchtwiesen und Grünland. Der Verbreitungsschwerpunkt des Weißstorches in NRW befand sich im 20. Jahrhundert im Tiefland und im Weserbergland. Gravierende Lebensraumverluste bedingt durch veränderte Landnutzung, großräumige Entwässerungen, Verluste auf dem Zuge und in den afrikanischen Winterquartieren und vor allem eine jahrelange, anhaltende Dürre in der Sahelzone in den 1980er Jahren führten zu einer kontinuierlichen Bestandsabnahme, die wahrscheinlich bereits Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte. Nachweislich brüteten Störche letztmalig am Unteren Niederrhein 1947, im Münsterland 1918, im Paderborner Land 1954 und in der Warburger Börde 1930. Ebenfalls mit Sorge wurde der Niedergang im „Storchenkreis“ Minden-Lübbecke beobachtet. 1934 konnten in den Altkreisen Lübbecke und Minden mindestens 19 besetzte Horste gezählt werden - 1991 waren es nur noch drei verbliebende Brutplätze in der Petershagener Weseraue. Das Verschwinden dieser faszinierenden Großvogelart aus NRW stand unmittelbar bevor. Um den Weißstorch vor dem Aussterben in NRW zu retten, fanden seit den 1980er Jahren zahlreiche Maßnahmen statt, um die Lebensraumbedingungen für die Art zu verbessern. Seit Anfang der 1990er Jahre erholten sich die Bestände kontinuierlich. Im Jahr 2018 lag der Bestand in NRW bei rund 320 Brutpaaren.

Weißstorch
Weißstorch-Bestandsentwicklung in NRW

Der Hauptanteil der nordrhein-westfälischen Storchenpopulation gehört zu den sogenannten Westziehern. Diese Störche ziehen über Frankreich, Spanien und Portugal und über die Meerenge bei Gibraltar nach Westafrika bis in ihre angestammten Winterquartiere in der Sahelzone. Neuerdings überwintern jedoch viele Störche bereits in Spanien und Portugal, wo sie genug Nahrung auf Mülldeponien und in Reisfeldern finden. Ablesungen von in NRW beringten Störchen belegen dies. Die Westzieher haben durch den kürzeren Zugweg gegenüber den Artgenossen, die die Ostroute über die Türkei und Ostafrika nach Südafrika bevorzugen, derzeit deutliche Vorteile: eine geringe Mortalitätsrate der Alt- und Jungvögel auf dem Zug, ein gutes Nahrungsangebot im Winterquartier auf der Iberischen Halbinsel, die Besetzung der besten Brutplätze durch frühe Ankunft im Februar und März und eine dadurch unter normalen Witterungsbedingungen bessere Fortpflanzungsperiode. Seit der deutlichen Bestandserholung und der Wiederbesiedlung ehemals verwaister Naturräume nehmen Bürgerinnen und Bürger den Weißstorch verstärkt wahr. Gerade auf dem Herbstzug von Ende Juli bis September können Trupps, die gegenwärtig auf abgeernteten Agrarflächen Nahrung suchen bzw. in der Thermik kreisen, beobachtet werden. Regelmäßig werden dann Trupps bis über 100 Individuen dokumentiert.

Um spezielle Fragestellungen beantworten zu können, werden bundesweit Weißstörche mit Ringen versehen. Auch in NRW werden jährlich rund 150 Störche mit den sogenannten ELSA-Ringen gekennzeichnet. Diese schwarzen Ringe mit einer weißen Identifikationsnummer werden über dem Sprunggelenk (obertarsal) angebracht und können mit einem Fernglas oder Spektiv komfortabel abgelesen werden. Oft befinden sich unter den Rastvögeln beringte Individuen. Ablesungen sollten der Vogelwarte Helgoland mit Sitz in Wilhelmshaven gemeldet werden. Als Dankeschön versendet die Vogelwarte Helgoland die Wiederfundmeldung mit den Beringungsdaten des Storches – bei bereits mehrfach abgelesenen Vögeln bekommt man damit die Lebensgeschichte „seines“ Storchs zugeschickt.

Michael M. Jöbges ( AG Weißstorch )